Heiligabend auf St. Pauli (1967)

Deutschland, 1967
bis 23:00
Dokumentation
  • Schwarz-weiß Sendung
  • 20251219215500
VPS 21:55

Übersicht

Klaus Wildenhahn drehte diese Dokumentarfilm über die Nacht vom 24.12. auf den 25.12.1967. Der ausschließliche Ort der Handlung ist eine Kneipe auf St. Pauli, die Protagonisten sind die Gäste und die Wirtin. Es gibt kein Skript, die Kamera ist einfach nur da und filmt: die ältere und die jüngere Prostituierte, die Seeleute, die Stammgäste. Da es Heiligabend ist, werden die Menschen wehmütig: Wer ist an so einem Abend schon gerne in der Kneipe? Der Stil des Films orientiert sich am Direct Cinema.

Themen

    Details

    Der berühmte Dokumentarfilmer und Regie-Dozent Klaus Wildenhahn drehte diese Dokumentation im Stil des Direct Cinema in der Nacht vom 24.12. auf den 25.12.1967 in einer Kneipe auf St. Pauli: Gäste waren Seeleute, Prostituierte, ein namenloser Amateurboxer, Fernfahrer, Stammgäste und Laufkundschaft. Und es gibt die Wirtin, eine grundsympathische Frau in ihren Enddreißigern. Gedreht wurde mit der Handkamera und Originalton, also unmittelbar und direkt. Die Kamera ist nicht versteckt, steht aber auch nicht im Mittelpunkt. Die Menschen wissen, dass sie gefilmt werden, aber es scheint nicht so, dass sie deswegen ihr Verhalten ändern. Der Heiligabend beginnt, die Wirtin zündet vier Kerzen auf dem Adventskranz an. Man trinkt, aus der Jukebox kommt Weihnachtsmusik. Man raucht, die Jukebox ist still, ein Seemann spielt auf der Mundharmonika „Stille Nacht“, einem Krawatte tragenden Seemann - es tragen überhaupt so gut wie alle Seeleute Krawatte an diesem Abend - sieht man an, dass ihn das anfasst: Er schluckt. Man trinkt weiter. Und spricht darüber, dass man zu viel trinkt. Die Kamera ist sehr nah dran an den Protagonisten, dennoch ist dieser Film Lichtjahre von einem Sozialporno entfernt. Freddy Quinn mit einem Seemannslied löst die Mundharmonika ab. Auch die Wirtin wird melancholisch und raucht eine Zigarette nach der anderen, die Stammgäste werden von ihr geduzt, die Laufkundschaft gesiezt. Ein Laufkunde, der über den Tresen eine ganze Flasche Rum kaufen will, wird von ihr abgewiesen. Er bekommt ein Glas Rum mit Cola, aber keine ganze Flasche. Im Laufe des Abends werden alle Gäste immer betrunkener. Es herrscht ein rauer Ton aber fast keine Aggressivität. Die Wirtin wird respektiert und die Kamera im Raum zunehmend ignoriert - samt Filmemacher und Tonmann. Zerstörte Lebensläufe, Trauer. Auch die Wirtin trauert, wenn jemand an Heiligabend betrunken ist, denn sie weiß, dass das einen Grund hat. Vor Mitternacht tröstet eine Frau, vermutlich eine Prostituierte, einen betrunkenen Seemann. Nach Mitternacht wird sie selbst traurig und stumm und wird ihrerseits von der Wirtin getröstet. Auf einmal kommen zwei weißbekappte Polizisten ins Lokal. Es geht um Zechprellerei. Die Polizisten sind ruhig und souverän: Sie können sich problemlos durchsetzen. Hinterher erklärt ein Gast dem Filmemacher sein Leben als Falschspieler beim Kartenspielen. Dabei ist ausnahmsweise und nur kurz auch Klaus Wildenhahn selbst zu sehen. Aus der Jukebox zu hören sind neben Freddy Quinn auch Tom Jones oder Peggy March. Bei Udo Jürgens hingegen wird von der Wirtin sofort der Stecker gezogen. Und wenn niemand Geld in die Jukebox wirft, ist der Gastraum ohne Musik. Da es keinerlei Kommentar gibt, erfährt man auch nicht, ob der Zigarre rauchende Mann mit Weste der eigentliche Wirt ist oder der Mann bzw. Lebensgefährte der Wirtin oder nur ein guter Stammgast. Je betrunkener die Männer werden, umso anlehnungsbedürftiger werden sie. Als die Wirtin Feierabend macht, ist es am ersten Weihnachtsfeiertag draußen bereits taghell.

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