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Leuna steht heute für den größten zusammenhängenden Industriekomplex Ostdeutschlands, ein Erfolgsbeispiel der deutschen Einheit. Trotz aller Skandale, Brüche und Zäsuren steht Leuna heute für gelungene Standortpolitik. Und doch hat die Transformation hier Spuren hinterlassen. Leuna ist eine Region voller Widersprüche und steht damit beinahe exemplarisch für viele Regionen in Ostdeutschland.
„Wenn die Schlote rauchen, war das immer ein Zeichen für Wohlstand“, sagt der Leunaer Schriftsteller Jürgen Jankofsky. Die Schlote rauchen. Heute entweicht ihnen „guter“ weißer Rauch. Die Landschaft um das Leunawerk blüht. Die Saale, einst eine schaumführende grün-braune Kloake, windet sich durch die Aue und ist Bade- und Angelgewässer. Die kleine Stadt Leuna, in der annähernd so viele Menschen leben wie es Arbeiter im Leunawerk, dem größten deutschen Chemiestandort, gibt, ist geputzt, saniert, die Gemeinde mitsamt der zu ihr gehörenden Dörfer, ist reich.
Die Menschen sind auf feinen Sportplätzen unterwegs, haben funktionierende Vereine mit hunderten Mitgliedern. Geglückte Transformation innerhalb der letzten 35 Jahre? Leuna - ein „Leuchtturm“, die vielleicht einzige gelungene „Sanierung“ einer einstigen DDR-Industrie.
Und dennoch sitzt die AfD mit großer Mehrheit im Stadtrat. Und dennoch gibt es zahlreiche Bürgerinitiativen, die sich gegen neue gigantische Solarparks oder einen Messturm des Deutschen Wetterdienstes, gegen eine Stromtrasse, gegen Hochwasserpolder mitten durch die Aue wehren.
Parallel dazu fordert der Leunachef, die Pipelines nach Russland wieder aufzumachen, weil Energie, die das Werk braucht, zu teuer geworden ist, weil die Chemieindustrie in der Krise steckt, weil sonst Massenentlassungen drohen. Deutschlandweit löste dies Verwunderung und Entsetzen aus. Die Energiewende ist hier ein ambivalentes Thema.
Die Menschen wollen dem nur bedingt folgen. Sind sie dadurch nun die ewig Gestrigen? Die „Ossis“, die keine Lust mehr auf eine erneute Transformation haben? Russland-Versteher? Müde vom Sich-Verändern? Oder sind sie nicht genau damit - mit Bürgerinitiativen, Protest und der Forderung nach schnellen finanziellen Lösungen - eigentlich angekommen in der Demokratie, in der Teilhabe.
Leuna - ein Ort, der exemplarisch ist, nicht nur für Ostdeutschland. Vielleicht wie ein Labor für das ganze Land. Ein Ort, an dem um und für die Zukunft gestritten wird, wo die Schlote rauchen und der Wohlstand greifbar ist.
Eigentlich könnte doch alles so schön sein...
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