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Warum brach die Serie „In Therapie“ auf ARTE alle Zuschauerrekorde? Spiegelt sie eine gesellschaftliche Realität wider? Zwischen persönlicher Suche und kollektiven Traumata beleuchtet diese einfühlsame Dokumentation das wechselseitige Verhältnis zwischen Fiktion und Wirklichkeit.
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Mit etwas mehr als einem Jahr Abstand ausgestrahlt - 2021 und 2022 - und seither online erneut verfügbar, erreichten die beiden Staffeln von „In Therapie“, einer Adaption der israelischen Serie „BeTipul“ von Éric Toledano und Olivier Nakache - insgesamt rund 100 Millionen Aufrufe im Fernsehen und im Netz - ein absoluter Zuschauerrekord. Doch jenseits dieses spektakulären Erfolgs traf die Serie, die zeitlich direkt nach den Anschlägen vom 13. November 2015 in Paris (Staffel 1) und dem ersten Lockdown im Frühjahr 2021 (Staffel 2) angesiedelt ist, den Nerv einer durch diese aufeinanderfolgenden Schocks tief erschütterten Gesellschaft. Mit dem Psychoanalytiker Philippe Dayan als Hauptfigur - eindrucksvoll und menschlich verkörpert von Frédéric Pierrot - wurde sie zu einer Einladung zur Introspektion und zum Zuhören und schuf eine nie dagewesene Nähe zur Praxis der Analyse. Viele Zuschauerinnen und Zuschauer in Frankreich fühlten sich dadurch erstmals ermutigt, selbst eine Therapie zu beginnen. Mit seiner Dokumentation will Regisseur Stéphane Benhamou die kathartische Kraft von Fiktion ausloten und den Auswirkungen dieser Serie in der Realität nachspüren.
Mit großer Feinfühligkeit verwebt diese Dokumentation die Aussagen von Therapeutinnen, Therapeuten, Patientinnen und Patienten mit Ausschnitten aus der Serie und ihrem Making-of, ergänzt durch Kommentare der Regisseure von „In Therapie“. Die Psychoanalytikerin Michèle Benhaïm und der Psychoanalytiker Serge Hefez berichten unter anderem von einer Welle hilfesuchender Jugendlicher, die psychiatrische Kliniken nach der Pandemie überflutete - Kliniken, die schon zuvor unter Ressourcenmangel litten. Die Dokumentation zeigt auf, wie kollektive Traumata - Anschläge, Lockdowns, eine allgemeine, von aktuellen Ereignissen genährte Angst - die inneren Krisen vieler Menschen verstärkten und der Serie den Charakter eines Zufluchtsorts verliehen. Der Beitrag endet in Israel, kurz nach den Hamas-Angriffen vom 7. Oktober 2023, mit einem Gespräch mit Hagai Levi, dem Schöpfer von „BeTipul“. Er berichtet, dass man ihn gebeten habe, eine dritte Staffel zu schreiben - im Nachgang dieses neuen Traumas. Doch er habe sich dazu außerstande gefühlt und verwies auf seine Unfähigkeit, in einer solchen Lage die nötige Distanz zu gewinnen.
Hinweis
Synchronfassung, Online verfügbar von 22/10/2025 bis 22/04/2026
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